Vom Whistleblower zum Liedermacher
oder: Wenn ihr etwas sagen müsst – singt es!

Spielzeugverkäufer, Opernsänger, Eventmanager, Tennistrainer, Marketingleiter und Altenheim-Umzugskoordinator – all das war ich schon in diesem Leben. Vor ein paar Jahren – ich hatte schon lange Zeit keine Musik mehr gemacht – stellte ich plötzlich fest, dass in meiner Firma manches nicht in bester Ordnung war. Also beschloss ich, das auch zu sagen. Das änderte an den Umständen leider herzlich wenig – nur für mich begann eine schwierige Zeit. Doch genau in diesem Moment schenkte mir jemand eine alte, leicht angeschlagene Gitarre, und damit begann etwas, das ich bis heute nicht erklären kann: Ich schrieb sofort mein erstes Lied; ein Lied, von dem ich nur wusste, wie es klingen müsste, fertig in meinem Kopf. Allerdings konnte ich nicht Gitarre spielen und musste es also so schnell wie möglich lernen! Mein erstes Lied war ein Aufschrei, eine Kritik an den Zuständen in meiner Firma. Auftritte hatte ich zu dieser Zeit zwar keine, klar – aber dann kam das Sommerfest der Firma… Ich fragte an, ob dort nicht einmal eine musikalische Einlage nett wäre, so zwischen Haupt- und Nachspeise – und sang schließlich vor versammelter Belegschaft mein Lied. Große Aufregung! In der Folge ging es nämlich um die Frage, ob das Lied denn „justiziabel“ sei. Die Firma meinte nun, sich Anwälte leisten zu müssen; in so einer Situation braucht man dann selbst auch einen Anwalt, und aus all dem kann ich euch nur eine Erfahrung weitergeben: Wenn ihr einmal Kritik in eurer Firma äußern möchtet, dann sagt sie nicht einfach! Nehmt euch ein Instrument und singt sie! Denn dann, so habe ich gelernt, gilt in diesem Land die Kunstfreiheit, und die trägt einen ziemlich weit. Und ehrlich – so schlimm war mein Lied ohnehin nicht. Darum kam es am Ende auch zu einer Einigung: Ich bekomme eine Abfindung und verlasse bitteschön die Firma. Aber wisst ihr was? In der Zwischenzeit waren wie von selbst immer mehr Lieder entstanden, mit der Gitarre klappte das mittlerweile auch – und so beschloss ich, mit Hilfe der Abfindung aus den Liedern ein Album zu machen. Und plötzlich ging eine Tür nach der anderen auf, Yoyo Röhm produzierte mein Album, Konstantin Wecker gefiel es, er verschaffte mir einen Plattenvertrag, und so erblickte „Mit Dir“, mein Album, das Licht der Welt!

Verrückt, nun bin ich also Liedermacher – und ich empfinde es als Geschenk. Denn ich war 15 Jahre alt, als mein Vater, ebenfalls Musiker, im Alter von 43 an einem Herzinfarkt gestorben ist. Als die Geschichte, die ich euch erzählt habe, passiert ist, war ich genau in diesem Alter, und ich kam dabei in die schwierigste berufliche Situation meines Lebens und gesundheitlich bis an die Grenze. Aber auch genau in diesem Alter schenkte mir irgendjemand die Musik, und ich begann zu schreiben und gesund zu werden. Ich lebe dabei im Bewusstsein, nun die Jahre zu erleben, die mein Vater nicht mehr haben durfte. Und ich tue das mit dem Erbe seiner Stimme und, das hoffe ich, seiner musikalischen Begabung. Danke, Papa!

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